02.09.2021 13:33:00
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Bauern sehen sich im Schraubstock des Handels
"Der Handel feiert Rekordgewinne und die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand", sagte der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Aus dem Handel kommt prompt Widerspruch mit einer eigenen Untersuchung: Eine neue Economica-Studie würde belegen, dass der heimische Lebensmittelhandel selbst niedrige Renditen erziele und massiv zum Umsatz der Landwirtschaft und Verarbeitung beitrage.
Gemäß der Wifo-Studie hat sich der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette von 20,2 Prozent im Jahr 2005 auf 17,5 Prozent im Jahr 2019 reduziert. Gemessen am BIP ist der Anteil von 0,9 auf 0,8 Prozent gesunken. In absoluten Größen hat die Wertschöpfung zwar zugenommen, aber nicht so deutlich wie in anderen Sektoren. Während etwa die Wertschöpfung in der Lebensmittelverarbeitung in diesem Zeitraum real um 34 Prozent, im Einzelhandel von Nahrungsmitteln und Getränken um 44 Prozent und in der Gastronomie um fast 50 Prozent zugenommen hat, betrug der Zuwachs in der Landwirtschaft nur 10 Prozent.
Um am Markt bestehen zu können, müssten die landwirtschaftlichen Betriebe ihre Kosten reduzieren und expandieren oder mehr Dienstleistungen und Services anbieten, resümierte Wifo-Experte Sinabell. "Wenn wir dem Handel die Stirn bieten wollen, gilt ein näheres Zusammenrücken der eigenen Branche als unverzichtbar", sagte Moosbrugger. Sehr viele Bauernbetriebe würden auf einen sehr konzentrierten Handel treffen. In Österreich kommen Spar, Rewe (Billa, Billa Plus, Penny, Adeg) und Hofer zusammen auf einen Marktanteil von fast 90 Prozent.
In der Coronazeit seien Zustellservices und Selbstvermarktung der Bauern gestiegen. Eigene Absatzkanäle, eine stärkere Spezialisierung und eine engere Zusammenarbeit mit Gastronomie und Hotellerie seien Möglichkeiten, den Anteil an der Wertschöpfungskette wieder zu erhöhen, so der Landwirtschaftskammer-Präsident. Möglichkeiten sieht er auch in der zunehmenden Regionalisierung und einer verbesserten Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln. Dagegen wehrt sich allerdings die Nahrungsmittelindustrie.
Die Economica-Studie im Auftrag des Fachverbandes des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich kommt zu dem Ergebnis, dass im Gesamtdurchschnitt 24,5 Prozent des Regalpreises auf die Landwirtschaft und knapp 18 Prozent auf die Lebensmittelindustrie fallen. Mit einem Anteil von 16,5 Prozent am Regalpreis liege der Lebensmitteleinzelhandel an dritter Stelle. Die Umsatzrendite würde hingegen mit weniger als einem Prozent überaus bescheiden ausfallen, heißt es am Donnerstag in einer Aussendung.
"Österreichs Lebensmittelhandel erzielt selbst niedrige Renditen von unter einem Prozent des Netto-Umsatzes, trägt aber als wichtigster Absatzmittler der vorgelagerten Stufen, das heißt Landwirtschaft und Verarbeitung, massiv zu deren Wertschöpfung bei", sagte Peter Voithofer, Studienautor vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung.
kan/cri
APA

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