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21.11.2023 14:44:40
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DIW: Haushaltssperre ermöglicht schnelle Klarheit
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die vom Finanzministerium verhängte Haushaltssperre macht es der Bundesregierung nach Überzeugung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nun möglich, "schnell Klarheit" zu schaffen. "Die Haushaltssperre durch Finanzminister Lindner ist notwendig und klug", sagte er. Die Regierung müsse das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts "umgehend in ihren Entscheidungen berücksichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, verfassungswidrig zu handeln". Es sei wahrscheinlich, dass auch manche Ausgaben für dieses Jahr, wie die Strom- und Gaspreisbremse in Höhe von 32 Milliarden Euro, nicht mit der Schuldenbremse vereinbar seien. "Die Haushaltssperre ist zum anderen klug, weil die Bundesregierung nun Ausgaben kürzen und Prioritäten setzen muss", betonte der Ökonom.
Eine Krise wie in den USA sah Fratzscher ausdrücklich nicht. "Die Lage ist ernst für die Bundesregierung, aber sie ist kein Grund zur Panik oder übertriebenen Ängsten. Verwerfungen, wie bei den Streitigkeiten zum Haushalt in den USA, drohen dadurch nicht", hob er hervor. Die Regierung werde kommendes Jahr sparen müssen, die Haushaltssperre solle verhindern, dass nun der Spielraum für künftige Prioritäten noch kleiner werde. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht klar, dass die Bundesregierung weder für 2023 noch für 2024 eine Notlage deklarieren und ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse realisieren könne. "Der Bundesregierung bleibt keine andere Wahl, als die Schuldenbremse zu reformieren", meinte Fratzscher. Sie dürfe nun nicht den Fehler machen, wichtige Zukunftsinvestitionen zu kürzen.
Der Parlamentarische Finanz-Staatssekretär Florian Toncar (FDP) betätigte, dass der Bund Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und danach "vorsorglich gesperrt" habe. "Laufende Ausgaben 2023 und Rechtsverpflichtungen sind nicht betroffen", erklärte er über den Kurznachrichtendienst "X", vormals Twitter. "Neue Vorhaben sind aber gestoppt." Das diene der nötigen Prioritätensetzung in den nächsten Haushalten nach dem Urteil des Verfassungsgerichts. SPD-Fraktionsvize Achim Post betonte, nun werde "im Einzelfall" entschieden, ob die im Budget 2023 eingestellten Verpflichtungen für kommende Jahre eingegangen werden dürften. "Dabei geht es nicht um laufende Ausgaben", betonte auch er. Die für 2023 etatisierten Mittel könnten weiter abgerufen werden. Auch bereits eingegangene Verpflichtungen seien davon nicht betroffen.
Der Freiburger Ökonom Lars Feld betonte, die Haushaltssperre solle "nur sicherstellen, dass keine neuen Verpflichtungsermächtigungen eingegangen werden, solange die Prüfung der Bundeshaushalte 2023 und 2024 noch läuft". Er hielt es für möglich, nun eine Notlage für 2023 festzustellen und so die Regeln der Schuldenbremse einzuhalten. "Meines Erachtens lässt sich für 2023 die Notlage rechtfertigen, obwohl das Bundesverfassungsgericht hierfür engere Grenzen gezogen hat", sagte Feld, der Finanzminister Christian Lindner (FDP) berät, der Rheinischen Post. "Hätte der Bund Ende 2022 bei Verabschiedung der Gas- und Strompreisbremsen von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kenntnis gehabt, hätte er für dieses Jahr die Notlage bemühen müssen, und zwar bezogen auf die Energiekrise, und dies damit auch begründen können."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/apo
(END) Dow Jones Newswires
November 21, 2023 08:44 ET (13:44 GMT)
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