07.06.2024 13:28:00
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Gezerre um Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat eine Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes vor, bis die europäische Regelung greift. Die deutsche Regelung könne pausiert werden, sagte er am Freitag beim Tag des Familienunternehmens in Berlin. Von der Kanzlerpartei SPD kam eine Ablehnung für den Vorschlag, die Aussage Habecks verwundere sehr, so der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann.
Der Grün-Politiker hatte eine Forderung von Wirtschaftsverbänden aufgegriffen, die vor Wettbewerbsnachteilen gewarnt hatten. Für die kommenden Wochen kündigte er weitere Entscheidungen der Ampel-Koalition zur Entlastung der Wirtschaft an.
Das europäische Lieferkettengesetz wurde vor kurzem verabschiedet. Die EU-Staaten haben nun gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.
Die europäischen Regelungen müssen Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz einhalten, allerdings erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren - in dieser Zeit gelten zunächst noch höhere Grenzwerte.
In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz. Einer der größten Unterschiede ist die Haftbarkeit. Im deutschen Gesetz ist ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind - das EU-Gesetz lässt das zu. Darüber hinaus gilt das deutsche Lieferkettengesetz für Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitenden. In den kommenden Jahren wären von der deutschen Version damit in der Bundesrepublik mehr Unternehmen betroffen als von der EU-Variante.
"Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmern anzubiedern", fragte der Sozialdemokrat Rosemann. "Ganz deutlich: Wir reden hier über den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wir reden über die Ausbeutung von Kindern." Faire Lieferketten seien keine Belastung, sondern eine moralische Verpflichtung. "Wiederholt äußert sich der Wirtschaftsminister zu Themen, für die aus gutem Grund andere zuständig sind."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr begrüßte Habecks Vorstoß hingegen. Ein Stopp des deutschen Lieferkettengesetzes wäre "ein wichtiger Beitrag für die Wirtschaftswende", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Seitdem dieses Gesetz in Kraft sei, litten viele Betriebe unter enormer Bürokratie und zusätzlichen Kosten. "Der Abbau von bürokratischen Hürden ist das beste Konjunkturprogramm, denn es kostet uns nichts, aber es schafft große Entlastung für die Betriebe", betonte Dürr.
Die EU-Staaten konnten sich erst nach mehreren Anläufen im März auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen - trotz des Widerstands einiger Länder, darunter Österreich - wo nur die kleinere Regierungspartei der Grünen für ein strenges Lieferkettengesetz war, die ÖVP aber nicht. Auch im EU-Parlament hatte das Gesetz keine überragende Mehrheit erreicht: 374 Abgeordnete stimmten für das Vorhaben, 235 dagegen (19 Enthaltungen). Allerdings wurde der Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt. Sah die Einigung zwischen den EU-Staaten und dem EU-Parlament noch vor, dass die Richtlinie für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und 150 Mio. Euro Umsatz gelten soll, soll sie jetzt nur mehr ab 1.000 Mitarbeitenden und 450 Mio. Euro Umsatz greifen.
In Österreich reagierte der ÖVP-Wirtschaftsbund mit Genugtuung auf Habecks Position. "Es ist wirklich interessant zu sehen, dass selbst die deutschen Grünen unter Wirtschaftsminister Robert Habeck erkannt haben, welche Bürokratielawine durch das Lieferkettengesetz ausgelöst wird", so der Generalsekretär der Teilorganisation der Volksparte und Abgeordnete zum Nationalrat, Kurt Egger. In Österreich hingegen scheine es so, als würden Grün-Politikerinnen wie Umweltministerin Leonore Gewessler "diese Problematik nicht verstehen".
phs/cs

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