10.07.2017 20:36:40
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Börsen-Zeitung: Auflösungserscheinungen, Kommentar zu G20 von Stephan
Lorz
Frankfurt (ots) - Unter dem Klima- und Energieaktionsplan der
Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel war die Tinte noch nicht
trocken, da scherte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
schon aus und knüpfte die noch ausstehende Ratifizierung des
Abkommens in seinem Land an Finanzforderungen. Dass US-Präsident
Donald Trump eigene Wege geht, hatte man bereits erwartet. Es sei
"das Schlimmste verhindert" worden, hieß es hernach trotzdem in
Reaktionen; man habe eben pragmatisch gehandelt.
Aber was ist von einer internationalen Zusammenarbeit zu halten,
wenn ein Land nur Minuten nach Unterschrift die dadurch beglaubigten
Zusagen wieder zurücknimmt? So viel Unverbindlichkeit und so wenig
Empörung der verbliebenen Unterzeichner lassen am Sinn solcher
Erklärungen zweifeln.
Vielleicht sollte man über den offenen Dissens schon froh sein.
Denn in der Handelspolitik wurden die Konflikte durch wachsweiche
Formulierungen nur verklausuliert. Wäre es etwa zu konkreten Zusagen
im Kampf gegen den Protektionismus gekommen, wären diese ohnehin
nicht umgesetzt worden, insinuiert ein Bericht von "Global Trade
Alert" mit Verweis auf frühere Gipfelversprechungen.
Diese Entwicklung ist hochgefährlich, weil sie internationale
Verträge infrage stellt. Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der
Vertragsparteien, die Anerkennung globaler Rechtsnormen sind
schließlich die Voraussetzungen sowohl für globalen Handel als auch
für Umweltschutz und Frieden insgesamt.
Solche Auflösungserscheinungen sind auch in der EU/Eurozone zu
beobachten. Die Staatengemeinschaft müsste ob ihrer besonders engen
Verflechtung eigentlich ein noch größeres Interesse an
Rechtsverbindlichkeit haben. Aber die einst feierlich unterzeichneten
Verträge (Defizitgrenzen, No-Bail-out-Klausel) werden negiert oder
umgedeutet. Wie ein schleichendes Gift breitet sich diese Missachtung
inzwischen auf demokratische Wesenselemente aus, wie in Polen oder
Ungarn zu beobachten. Das lockert den Zusammenhalt, der
Gemeinschaftsgeist verfliegt.
Es ist dieser Zerfall des Rechts, der die internationale
Zusammenarbeit im Kern bedroht, weniger das Scheitern einzelner
Projekte. Und herrscht einmal Anarchie, regiert das Recht des
Stärkeren. Deren Selbstdisziplinierung diene dazu, sich dem Paradies
wieder annähern zu können, warb schon der Philosoph Jean Jacques
Rousseau für den Abschluss von Verträgen - betonte aber, dass das nur
für Gesellschaften gelte, in denen "Vernunft" herrscht.
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