Budgetsanierung |
30.06.2025 15:23:00
|
Wifo-Chef Felbermayr: Warum Wachstumsprognosen irren
Österreichs Staat muss sparen. Wie schwer der Pfad zur Budgetsanierung wird, hängt auch davon ab, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird - häufige Veränderungen erschweren naturgemäß die Planung. Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sah Ende 2024 gar einen Teil der Schuld für das Budgetloch bei den Wirtschaftsforschern, denn diese seien lange zu optimistisch gewesen, wodurch die Politik ihren fiskalischen Spielraum falsch eingeschätzt habe.
Politik muss sich Unsicherheit bewusst sein
Die Veranstaltung am Freitag kann durchaus als Replik des Wifo auf derartige Kritik verstanden werden. "Gewissermaßen hat Nehammer recht gehabt", so Felbermayr, der auch Verständnis für den Ärger des Alt-Bundeskanzlers zeigte. Gleichzeitig sei die Kritik "abwegig". Die Prognostiker hätten immer darauf hingewiesen, dass ihre Vorhersagen einer großen Unsicherheit unterliegen. In anderen Worten: Es war die Entscheidung der Politik, kein größeres Sicherheitspolster im Budget einzuplanen.
Doch was bedeutet Unsicherheit aus Sicht der Wirtschaftsauguren? Felbermayr unterscheidet zwischen dem Risiko - also lösbaren oder kalkulierbaren Unsicherheitsfaktoren - und der "radikalen Unsicherheit". Darunter fallen gänzlich unvorhersehbare Ereignisse bzw. Ereignisse deren Eintrittswahrscheinlichkeit oder -zeitpunkt kaum zu berechnen sei. "Wir können uns einigen, es wird (in der Zukunft; Anm.) eine Finanzkrise geben", nannte Felbermayr als Beispiel. "Aber wann, wissen wir nicht."
Abweichende Daten
Eine weitere Ursache für "falsche" Prognosen liegt in den Daten, die in die Modelle der Wirtschaftsforscher einfließen. Ob Außenhandelszahlen, Arbeitsmarktdaten oder Industrieproduktion - diese als unumstößlich wirkenden Kennzahlen können je nach Berechnungsart und Statistikamt durchaus voneinander abweichen. Als Beispiel nannte der Wifo-Chef die Handelsbilanz zwischen den USA und Großbritannien. Hier kämen die Statistiker auf beiden Seiten des Atlantiks auf grundsätzlich verschiedene Werte.
Diskussionsbedarf sah Felbermayr in dem Kontext bei der Statistik Austria und nannte die Industrieproduktion als Beispiel. Hierzulande würde die Erstschätzung im Nachhinein viel öfter revidiert als in Deutschland. Der im Raum anwesende Statistik Austria-Direktor Thomas Burg konterte, dass vorläufige Ergebnisse sehr stark auf eine schnelle Datenverfügbarkeit angewiesen seien. So würden beispielsweise verschiedene Daten der Steuerbehörden in Österreich wesentlich später an das Statistikamt geliefert als in Deutschland.
Eine weitere Schwierigkeit von Prognosen liege in den verwendeten Modellen. Oft sei es für die Forscher schwer zu unterscheiden, ob ein wirtschaftlicher Abschwung konjunkturelle oder strukturelle Gründe habe - was es wiederum schwieriger macht, vorherzusagen, wie es weitergeht.
BIP ist nicht alles
Am Schluss ging Felbermayr dann noch auf die Debatte rund um das Konzept des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ein. Dieses sei als wirtschaftspolitischer Leitfaden "nicht alles". Vergleiche man das BIP pro Kopf von Frankreich und den USA, hinke Frankreich deutlich hinterher. Sehe man sich dann die Lebenserwartung und die zur Verfügung stehende Freizeit an, zeichne sich ein wesentlich differenzierteres Bild der Lebenssituation in beiden Ländern ab.
spo/tsk
APA

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links: