19.03.2015 11:12:00
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BNY Mellon: Was, wenn Draghi so weitermacht?
Holger Farinkrug, Chefvolkswirt der BNY-Tochter Meriten Investment Management, erwartet nicht, dass europäische Gerichte das QE-Programm der EZB für unzulässig erklären werden. Zu groß wäre der Schaden.
Wir haben lange die theoretischen Diskussionen geführt, ob Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) ökonomisch notwendig, sinnvoll oder gar schädlich sind, ob sie politisch gesehen die falschen Anreize setzen, ob sie legal im Sinne der EU-Verträgeund der EZB-Statuten sind, und ob sie im institutionellen Rahmen der EWU überhaupt Wirkung entfalten können. Diese Phase ist vorbei; Mario Draghi hat einmal mehr Tatsachen geschaffen.
Nachdem die EZB mit ihrem 1,14 Billionen-Euro-Quantitative-Easing- Programm (nennen wir es kurz: EQEP) „live“ gegangen ist, wird keine zuständige Institution – weder das Bundesverfassungsgericht, noch der Europäische Gerichtshof – es für rechtlich unzulässig erklären. Zu groß wäre der Schaden für die europäischen und nationalen Zentralbanken, für alle privaten Investoren, die mehr oder weniger widerwillig im Liquiditätsstrom mitschwimmen, für die Stabilität des EWU-Finanzsystems und der Mitgliedsstaaten. EQEP ist also here to stay…
Wie stark die Auswirkungen auf die Finanzmärkte sind, wurde bereits in der ersten Woche klar. Die bereits im Vorfeld gefallenen Renditen von allen Euro-Fixed-Income-Instrumenten schmolzen wie Butter in der Sonne. In den ersten drei Tagen beliefen sich die Ankäufe auf 9,8 Mrd. Euro, entsprechend dem Ziel, 60 Mrd. Euro pro Monat zu kaufen. Wenn dieses Tempo beibehalten wird, belaufen sich die Käufe auf 720 Mrd. Euro pro Jahr. Unter der Prämisse, dass 80 Prozent davon in Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsstaaten fließen, würden EZB und nationale Zentralbanken circa 9 Prozent des ausstehenden Marktvolumens pro Jahr erwerben. Das ist doppelt so viel wie die Fed im Rahmen von QE3 gekauft hat (4,4 Prozent des US-Treasury-Marktes p. a.).
Es kommt hinzu, dass der Staatsanleihemarkt in der Eurozone fragmentiert ist, denn die einzelnen nationalen Märkte weisen äußerst unterschiedliche Liquiditätsgrade auf. Das dürfte die durchschnittliche Preisreaktion verglichen mit den Treasury-Käufen der Fed erhöhen. Auch andere Assetmärkte in der Eurozone haben eine geringere Markttiefe als ihre USPendants. Der von Mario Draghi angestrebte Portfolioeffekt, also die Verdrängung von Investoren aus niedrig bis negativ rentierenden Staatsanleihemärkten in andere Assetklassen, zum Beispiel die Creditmärkte, dürfte daher auch dort eine stärkere Preisreaktion auslösen als in den USA, bis hinein in die Aktienmärkte.
Und schließlich wird die Wirksamkeit von EQEP dadurch erhöht, dass die Regulierung des EWU-Finanzsektors viele Investoren zwingt, Staatsanleihen in der Bilanz zu halten. Unsere oben aufgemachte Rechnung, die auf dem Gesamtvolumen aller ausstehenden Staatsanleihen basiert, überschätzt also die tatsächlich verfügbare Liquidität, da die Abgabebereitschaft für Staatsanleihen und andere Durationsprodukte bei vielen Investoren gering und wenig preissensibel ist.
Wenn EQEP also bis zum frühesten von der EZB vorgesehenen Endpunkt (September 2016) 80 Prozent von 1.140 Mrd. Euro in den Staatsanleihemarkt investiert, so entspricht dies rechnerisch knapp 15 Prozent des Gesamtmarktes, repräsentiert aber tatsächlich einen erheblich höheren Anteil an den liquiden verfügbaren Marktinstrumenten. Etwas unvornehmer ausgedrückt: EQEP wird die EWU-Märkte in erheblich höherem Ausmaß manipulieren als QE3 der Fed dies je getan hat.
Damit zurück zur Ausgangsfrage: Was, wenn Draghi so weitermacht? Die bisherige Erfahrung mit EQEP lässt uns vermuten, dass es der EZB relativ schnell gelingen dürfte, nicht nur Renditen von Bundesanleihen mit Laufzeiten bis zu 10 Jahre in den (leicht) negativen Bereich, sondern auch das lange Ende der Kurve, das erheblich illiquider ist, weiter in Richtung Null-Linie zu drücken.
Investoren, die auf positive laufende Erträge angewiesen sind, werden also zusehends in andere Märkte gedrängt, wodurch auch Euro-Peripherie- und -Credit Spreads weiter schrumpfen dürften. Punktprognosen für das Ausmaß abzugeben, wäre allerdings unseriös. Eine Inversion der Zinsstruktur erwarten wir zunächst nicht, obwohl EQEP den Laufzeitbereich bis zwei Jahre auslässt.

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