10.07.2017 16:08:00
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Columbia Threadneedle: Die unterschätzten Gefahren der Entglobalisierung
Der Protektionismus bedroht das Modell der ‚neuen Globalisierung‘, durch das Unternehmen günstige Arbeitskräfte in aller Welt genutzt, ihre Effizienz gesteigert und damit ihre Gewinnmargen erhöht haben. Sollte sie gestoppt werden, wäre das auch das Ende des wichtigsten Treibers der 35-jährigen Anleihen-Hausse.
(Foto: Toby Nangle, Global Co-Head of Asset Allocation und Head of Multi-Asset, EMEA)
Wenn die Globalisierung politisch aufgehalten wird, wäre das auch das Ende der damit verbundenen disinflationären Tendenzen. Das könnte die Kapitalmarkt-Bewertungen insgesamt unter Druck setzen. In einem solchen Szenario wäre die Aktienselektion aufgrund großer Divergenzen auf Einzeltitelebene noch wichtiger.
Wenn es um die Frage geht, woran die Weltwirtschaft krankt, ist der Schuldige häufig schnell gefunden: die Globalisierung. Auch die Welle des Populismus im Westen führen viele Kommentatoren auf die Globalisierung zurück, die für die jahrelange Lohnstagnation verantwortlich gemacht wird. Eine Umkehr der Globalisierung halten wir jedoch für gefährlich, da sie unserer Ansicht nach mit hohen Kosten und Verwerfungen für alle Regionen dieser Welt verbunden wäre.
Die Errungenschaften der Globalisierung werden unterschätzt, ihre positive Wirkung als selbstverständlich hingenommen. Umso wichtiger ist die Frage nach den Folgen einer Entglobalisierung für Menschen, Unternehmen und die Finanzmärkte.
Sollte die moderne Globalisierung, wie von den Populisten in den USA und Europa angedroht, zurückgedreht werden, würden Volkswirtschaften schon bei einem geringeren Wachstumstempo gegen die Inflationswand fahren. Die Konjunkturzyklen würden kürzer und stärker lokalisiert. Aus der Anlegerperspektive betrachtet könnte dies den 35-jährigen Anleihen- Bullenmarkt beenden und die Bewertungen in allen Anlageklassen unter Druck setzen.
‚ALTE‘ VS. ‚NEUE‘ GLOBALISIERUNG
Um die möglichen Folgen einer Entglobalisierung für die Finanzmärkte zu verstehen, muss man zunächst verstehen, was an der heutigen Form der Globalisierung einzigartig ist. Die Unterschiede zwischen alter und neuer Globalisierung hat der Wirtschaftsprofessor Richard Baldwin hervorragend auf den Punkt gebracht. Demnach hat der internationale Handel unter der ‚alten Globalisierung‘ zwar bereits deutlich zugenommen, die Wertschöpfungsketten der Unternehmen blieben aber in Abhängigkeit von ihren Endprodukten zumeist regional konzentriert. Anders ausgedrückt: Wenn zum Beispiel einamerikanisches Unternehmen ein Produkt fertigte,erfolgten praktisch alle Produktionsschritte in den USA. Bei den großen multinationalen Unternehmen in der heutigen Ära der ‚neuen Globalisierung‘ ist das nicht mehr der Fall.
In der neuen Globalisierung sind nicht nur die Wertschöpfungsketten handelbar geworden, sondern auch einzelne Schritte eines Produktionsprozesses, der in der Vergangenheit vielleicht komplett bei einem Unternehmen lag. Im Zuge der neuen Globalisierung haben sich die Unternehmen zunehmend auf sehr spezifische Wertschöpfungskompetenzen konzentriert – von der Markenführung über den Vertrieb, das Design und die Fertigung bis zur Logistik. Abbildung veranschaulicht diesen Prozess: Sie zeigt, wie die Geschäftsmodelle von Unternehmen zunächst in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und dann aufgeteilt werden. Dabei werden insbesondere die arbeitsintensivsten Schritte eines Produktionsprozesses häufig ausgelagert – an Auftragnehmer aus aller Welt.
Quelle: Columbia Threadneedle Investments, Februar 2017.
Die Schwellenländer haben diesen Trend zur Auslagerung von Produktionsschritten ins Ausland frühzeitig erkannt und die Zollschranken für Unternehmen gesenkt, die Arbeitsplätze in ihren Märkten schaffen. Dank des technologischen Fortschritts und einer größeren Harmonisierung der weltweiten gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen ist es für Unternehmen heute attraktiver, auf günstigere Arbeitskräfte im Ausland zurückzugreifen. So haben die Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten globalisiert und damit ihre governance-bereinigten Arbeitsstückkosten reduziert (d.h. die Arbeitsstückkosten bereinigt um die geschätzten Kosten und Risiken im Zusammenhang mit der Managementqualität, dem politischen Umfeld, den Umweltauswirkungen und möglichen rechtlichen Problemen, die zu zusätzlicher Komplexität führen).
Aus der makroökonomischen Perspektive betrachtet sollten alle Staaten von einem freien Handel profitieren, weil sie sich entsprechend ihrem komparativen Vorteil spezialisieren können. Die neue Globalisierung hat jedoch dazu geführt, dass Arbeitnehmer in den Industrieländern ihre Verhandlungsmacht eingebüßt haben – und zwar diejenigen, deren Arbeiten am ehesten ins Ausland verlagert oder automatisiert werden können. Über die Erwerbseinkommen ist es offensichtlich nicht gelungen, die Gewinne der Globalisierung unter den Mitgliedern der westlichen Gesellschaften zu verteilen. Von der Aufteilung der Arbeit haben vor allem zwei Gruppen profitiert. Eine davon sind die Arbeitnehmer in den Schwellenländern, in denen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Mit Hilfe der Globalisierung ist es China gelungen, mehrere Millionen Menschen aus der Armut zu befreien. Chinas Pro-Kopf-Einkommen hat sich von 1990 bis 2000 von 200 auf 1.000 US-Dollar verfünffacht. Dieser Trend hat sich in den folgenden zehn Jahren ungebrochen fortgesetzt, so dass China mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 5.000 US-Dollar im Jahr 2010 den Aufstieg in die Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen schaffte.3 Die zweite Gruppe der Globalisierungsgewinner sind die Unternehmen, denen die effiziente Aufgliederung ihrer Produktionsprozesse höhere Gewinnmargen beschert hat und deren Märkte durch die Globalisierung gewachsen sind. Während die Manager dieser globalen Unternehmen (vor allem in Industrieländern) Vermögen angehäuft haben, fällt die Bilanz des Durchschnittsbürgers im Westen durchwachsener aus.
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