16.06.2015 09:55:00
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Goldman Sachs: Blick aus der Vorstandsetage
In den aktuellen „Macro Insights“ analysieren die Experten von Goldman Sachs Asset Management (GSAM) die aktuellen Makro-Trends und ihren Einfluss auf die Gewinne der Unternehmen – aus Sicht der Vorstandsetagen.
Neben den Auswirkungen des starken US-Dollars auf die Unternehmensgewinne wurde in letzter Zeit viel darüber diskutiert, wie andere Top-down-Themen diese beeinflussen können. Ergebnisberichte, Gespräche mit Managern und Daten zum Unternehmensverhalten liefern allesamt Einblicke in die Art und Weise, wie Unternehmensverantwortliche auf derzeitige Makro-Trends reagieren. Während unsere Wertpapierauswahl unabhängig von diesen Themen erfolgt, sind die damit verbundenen Herausforderungen durchaus relevant für unsere Anlageentscheidungen. Ebenso wie der unterschiedliche Erfolg, den Unternehmensstrategien zur Lösung jener Hürden haben können.
Der aktuelle M&A-Boom mit dem höchsten Transaktionsvolumen seit zehn Jahren ist nicht nur auf die vielfach starken Unternehmensbilanzen mit hohen Barbeständen zurückzuführen, sondern auch zum großen Teil dem makroökonomischen Umfeld zu verdanken. Das schwache globale Wirtschaftswachstum führte verstärkt zu Branchenkonsolidierungen, während Akquisitionen aufgrund der niedrigen Zinsen in vielen Fällen attraktiver sind als Bargeld zu horten. Die geringe Volatilität hat zudem das Vertrauen in die Wirtschaftlichkeit von Transaktionen gestärkt. Aus Allokationssicht bevorzugen wir deal-bezogene Emissionen, um von Unternehmen zu profitieren, die erneut das verbesserte Kreditumfeld nutzen. Bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen bleiben wir weiterhin vorsichtig gegenüber Titeln und Sektoren, die M&A-Aktivitäten als Wachstumsstrategie nutzen.
Im ersten Quartal haben viele Unternehmen verstärkt die Auswirkungen folgender drei Makro-Themen zu spüren bekommen: Ölpreisschwankungen, schwache Inflation und die ungleichmäßige globale Nachfrage.
Nachhaltiger Ölpreisanstieg unwahrscheinlich
Der dramatische Ölpreisverfall hat einige Sektoren weniger hart getroffen als erwartet. Im Gegenteil: Viele Unternehmen konnten von niedrigeren Betriebskosten profitieren, die das Gewinnwachstum trotz gedämpfter Nachfrage gestützt haben. Enttäuschenden Quartalsberichten wurde hingegen größere Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere im Einzelhandel sind die Verkäufe im bisherigen Jahresverlauf schleppend verlaufen. Viele US-Bekleidungsfirmen haben ihre Gewinnschätzungen für das erste Quartal verfehlt. Diese Entwicklung überrascht, da angesichts der niedrigeren Benzinpreise mit höheren Verbraucherausgaben gerechnet worden war. Auch dürfte die aktuelle Ölpreis-Stabilisierung kaum Auswirkungen auf die Gewinnerwartungen für das kommende Quartal haben. Aufgrund des hartnäckigen Überangebots an Öl ist ein nachhaltiger Preisanstieg auf über 60 US-Dollar je Barrel weiter unwahrscheinlich.
Strategie: Im Rahmen unserer Anleihen- und Aktienstrategien konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die den niedrigeren Ölpreisen über längere Zeit standhalten können. Wir halten ein begrenztes Engagement in Energieaktien von Unternehmen höherer Qualität bei. Die Explorations- und Produktionsbranche, in der wir unser Exposure durch ausgewählte High-Yield-Titel erhöht haben, ist attraktiver als die Dienstleistungsindustrie.
Steigende Gehälter als Vorboten der Inflation?
Der globale Trend zu niedrigen Inflationsraten ist ein zweischneidiges Schwert: Während die geringeren Betriebskosten für viele Branchen positiv sind, ist die Preisgestaltung in einem Umfeld relativ schwacher Nachfrage begrenzt. Bis jetzt haben die Unternehmen immer noch Wege gefunden, um ihre Margen zu steigern. Dabei setzten sie hauptsächlich auf Kosteninitiativen wie eine schlankere Beschaffung, strategische Übernahmen und gezielte Preiserhöhungen. Angesichts des sich abzeichnenden Lohndrucks könnte die Kosteneindämmung jedoch schwieriger werden. In den USA deuten inzwischen mehrere Indikatoren auf eine abnehmende Flaute am Arbeitsmarkt hin, nachdem die Arbeitslosigkeit zuletzt auf ein Sieben-Jahres-Tief von 5,4 Prozent gesunken ist. Steigen die Preise schneller als die Lohnstückkosten, können Unternehmen höhere Gewinne einfahren. Von steigenden Lohnstückkosten sehen wir dieses Jahr keine große Gefahr für die Gewinnmargen ausgehen – vor allem nicht in Europa, wo die Arbeitslosenquote hartnäckig bei über 11 Prozent verharrt. Dies ist jedoch ein schwacher Trost für alle europäischen Industrieschwergewichte, die im letzten Quartal mit einer Stagnation die schlechteste Preisentwicklung seit zehn Jahren verzeichnet haben.
Strategie: In den USA hat die Ausweitung der EBITDA-Margen geholfen, die Auswirkungen des schwachen Umsatzwachstums zu mildern. Die verbesserten Margen haben das Gewinnwachstum und die Aktienkurse beflügelt, was die Aktienbewertungen in die Höhe trieb. Dank letzterem Phänomen ist das Verhältnis der Schulden zum Börsenwert relativ konstant geblieben, obwohl sich die Unternehmen weiter verschuldet haben. Diese Entwicklung stützt unsere selektive Übergewichtung von Unternehmensanleihen. Allerdings sind wir vorsichtig gegenüber Sektoren, die stärker zu einer Neuschuldenaufnahme neigen, wie der Gesundheits- und Pharmasektor. Die Wachstumsaussichten der USA beurteilen wir positiv, sehen aber inzwischen bei US-Aktien aufgrund der Bewertungen am oberen Ende der historischen Spanne weniger Anlagegelegenheiten als in anderen Märkten. Unsere Anleihen- und Aktienteams halten nach Anzeichen für Inflationsdruck Ausschau. Dieser hätte nicht nur das Potenzial, raschere Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank auszulösen, sondern könnte auch den Margen schaden. Margenrückgänge und eine schwache Umsatzentwicklung könnten die Gewinne und die Aktienkurse belasten, was wiederum an der Anlagendeckung für Anleihen und Kredite zehren würde.
Globale Nachfrage nach wie vor schleppend
Trotz des anziehenden globalen Wirtschaftswachstums spüren viele Unternehmen weiterhin die weltweite Nachfrageschwäche. In den USA ist die Konsumnachfrage zuletzt unter Druck geraten. Europa liefert unterdessen ein gutes Beispiel für ein sich abzeichnendes Szenario zweier unterschiedlicher Geschwindigkeiten: Während in den Peripherieländern Spanien und Italien der Konsum gerade für eine überraschende Trendwende sorgt, macht Deutschland die Wachstumsverlangsamung in China zu schaffen. Insbesondere die deutschen Autobauer haben an der sinkenden Nachfrage auf dem weltgrößten Absatzmarkt zu knabbern. Im Gegensatz dazu läuft die Automobilbranche in Japan auf vollen Touren. Grund dafür ist die dramatische Yen-Abwertung durch die japanische Nationalbank. Die Expansion der aggressiven Geldpolitik in Japan und Europa hat auch andere Länder in den Lockerungsmodus wechseln lassen, damit sie ihren Anteil am preissensiblen Weltexportmarkt verteidigen können. Dieser „Abwertungswettlauf“ setzt einige Sektoren erheblich unter Druck. So hat der Einzelhandel in Hongkong schwere Umsatzeinbrüche hinnehmen müssen, da es chinesische Verbraucher aufgrund der Yen- und Euro-Schwäche nach Japan und Europa zieht. Zu den ermutigenderen Entwicklungen in Europa gehört der jüngste Trendwechsel bei der Kreditvergabe an den Privatsektor, die im März erstmals seit drei Jahren wieder positiv war. Sofern die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zu einer Lösung führen und damit die aktuellen Gefahren für Europas Erholung entschärfen, gibt es dort Spielraum für weitere Wachstums- und Investitionsverbesserungen in diesem Jahr.
Strategie: Der Aufschwung in der Eurozone befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Kombination aus quantitativer Lockerung, Euro-Schwäche und saniertem Finanzsektor als positiver Treiber für den europäischen Aktienmarkt erweisen wird. Im späteren Jahresverlauf sehen wir im Zuge einer an Fahrt gewinnenden Konjunktur Potenzial für eine Aufwärtskorrektur der Gewinnprognosen. Japanische Aktien halten wir für attraktiv, weil sie günstig bewertet und die Unternehmen mittlerweile stärker auf Aktionärserträge fokussiert sind. Hinzu kommen solide Fundamentaldaten dank rekordhoher Unternehmensgewinne. Letztere wurden durch den schwächeren Yen begünstigt, während die Lohninflation den Binnenkonsum antreiben dürfte.
Fazit
Insgesamt konnten wir aus den jüngsten Ergebnisberichten vor allem zwei Erkenntnisse gewinnen: Erstens haben es die Unternehmen trotz Umsatzproblemen geschafft, ihre Margen zu steigern. Zweitens könnten europäische Aktien bald mehr Anlagechancen bieten als ihre US-Pendants.

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